Einige Anmerkungen zum Stempel L 1 „OLDENDORP.“
1. Vorbemerkung
An der Weser, nur 10 km nordwestlich vor der Rattenfängerstadt Hameln, liegt mit ihrem historischen Kern die Stadt Hessisch Oldendorf (20.000 Einwohner). Hessisch Oldendorf ist wie Stadthagen und Rinteln eine planmäßige Stadtgründung (zwischen 1237 und 1247 erbaut) der Grafen von Schaumburg.Durch den Tod des letzten Grafen von Schaumburg im Jahre 1640 entstand ein Streit um die Grafschaft. Durch die Teilung der Grafschaft Schaumburg in Schaumburg-Lippe und in die Hessen zufallende Grafschaft Schaumburg im Jahre 1648 geriet Oldendorf in eine Randlage zu Schaumburg-Lippe, dem Königreich Preußen und dem Königreich Hannover.
Bild 1: Straßen und Postlinien der (hessischen) Grafschaft Schaumburg um 1852.
Oldendorf lag an der preußischen Postlinie Berlin - Magdeburg - Minden. 1689 erhielt Oldendorf eine preußische Poststation. Die benachbarten preußischen Stationen waren Minden (im Kurfürstentum Brandenburg; später Königreich Preußen) und Mehle (im Herzogtum Kalenberg, später Königreich Hannover).
Der Ursprung dieser Straßenverbindung war die sogenannte Nordsüdroute des alten Hellweges („Hellweg vor dem Sandforde“) oder Heerstraße, von Bremen - Minden - Steinbergen - Oldendorf - Hameln nach Kassel, Fulda oder Bamberg verlaufend.
Bild 2: Preußische Postlinie durch die hessische Grafschaft Schaumburg mit einer preußischen Poststation in (Hess.) Oldendorf.
Die Postexpedition wurde von der Familie Kiel bis 1790 betrieben. Erster Postexpediteur (1782 bis 1800 ) war der Licent=Schreiber Kiel; danach folgte der Postexpéditeur Christian Ferdinand Grimme und schließlich, ab 1865 sein Sohn Christian Heinrich Grimme.
Bild 3: Postschein der Thurn und Taxischen Kurfürstlich Hessischen Postexpédition (Hess.) Oldendorf von 1830 mit der Unterschrift des Postexpéditeurs Christian Ferdinant Grimme.
Den Namen „Hessisch Oldendorf“ führt die Stadt offiziell erst seit 1905.
2. Übersicht der in (Hess.) Oldendorf verwenden Aufgabestempel (bis 1851)
Stempel | Form | Format | nachgewiesener Verwendungszeitraum |
Farbe | |
---|---|---|---|---|---|
Königreich Westphalen | |||||
W1 |
|
L2 | 42x9 mm | 1809-1813 | schwarz |
Kurfürstlich Hessiches Postamt (1813 - 1816) | |||||
W1 NV | L2 | 42x9 mm | 1813-1816 | schwarz | |
Thurn und Taxisches Kurfürstlich Hessisches Postamt (1816 bis 1851) | |||||
W1 NV T&T | L2 | 42x9 mm | 1816-1820 | schwarz | |
T&T L1 | L1 | 31x4 mm | (1820) - 1822 - (1824) | schwarz | |
T&T L2 | L1 | 47x5 mm | (1825) - (1830) Nachverwendung im Administrationsbereich (1874) |
schwarz | |
T&T 2 | EK | ø 20 bis 21 | (1830) - 1852 | schwarz |
3. Zusammenhänge und Interpretation
Sieht man einmal von der Verwendung des während des Siebenjährigen Krieges (1757) des auf dem Feldzug unter Marschall Richelieus in Oldendorf verwendeten Feldpoststempels „ARM:DU.B.RHIN“ ab, wurde zur Ortsaufgabe ab 1809 der zweizeilige Ortsstempel „OLDENDORF / BEY RINTELN“ verwendet.Die Einführung dieses ersten Poststempels fällt in die Zeit der französischen Besetzung. Trotz einer Neutralitätserklärung des Kurfürsten von Hessen besetzten 1806 französische Truppen das Land. Napoleon verschaffte so seinem jüngsten Bruder Jérome die Königskrone eines aus Hessen und den angrenzenden Gebieten zwischen Werra, Weser und Elbe zusammengesetzten Königreiches. Oldendorf wurde Kantonsstadt im Distrikt Rinteln im Weser Department. Der zweizeilige Ortsstempel (L2) „OLDENDORF / BEY RINTELN“ hat die Maße 42x9 mm.
Die Befreiungskriege von der französischen Fremdherrschaft leiteten auch die Auflösung des Königreichs Westphalen ein. Am 21. November 1813 übernahm der Kurfürst von Hessen wieder die Regierung. Es folgte eine Rückübertragung der Posten auf Hessen.
Ab 1. Juli 1816 übertrug der Hessische Kurfürst jedoch das Hessische Postwesen gegen Zahlung einer jährlichen Pacht von 42.000 Reichstalern als Erbmannlehn an den Fürsten von Thurn und Taxis.
Der westphälische Zweizeiler „OLDENDORF / BEY RINTELN“ wurde als Ortstempel weiter verwendet.
Interessant scheint die Zuordnung des L 1 „OLDENDORP.“ zu sein. Zum einen wird dieser Stempel oft, weil nur wenige Belege bekannt sind, dem Ort Preußisch-Oldendorf (bei Minden) zugeschrieben, zum anderen findet man in der einschlägigen Fachliteratur diesen Stempel in der Schreibweise „OLDENDORF.“.
Bild 4: Dienstsache („D.S. / Gyneck“) aus Fischbeck bei Oldendorf nach Rinteln. Ortsaufgabestempel L 1 „OLDENDORP.“ Mit rückseitigem Ankunftstempel L 2 „RINTELN / 29 JULY“ und rotem Lacksiegel „SIGELLUM ECCLESIAE FISCHBECENSIS“ des Klosters Fischbeck (1824).
Fraglich bleibt, ob dieser Stempel dem preußischen Postwärteramt in Oldendorf zuzuschreiben ist, da gleichzeitig eine hessische und eine preußische Poststation bis zu ihrer Zusammenlegung 1825 in Oldendorf bestand. Die vorliegenden Belege lassen dieser Möglichkeit bisher allerdings keinen Raum, da hessische Dienstpost und die Verwendung zur Ortsaufgabe auf innerhessischen Briefen erfolgte.
Ordnet man die Verwendungszeiträume den bekannten Ortsaufgaben L 2 „OLDENDORF / BEY RINTELN“ zu, so scheint dieser L1 den L2 abzulösen.
In der einschlägigen Fachliteratur findet man einen L 1 „HESS: OLDENDORF“, dessen Verwendung ab 1815 nachgewiesen sein soll. Hier kommen sicher Zweifel auf. Wenn man die Ortsbezeichnung Hess.-Oldendorf im Zusammenhang mit der Fusion der beiden Postämter 1825 sieht, macht es Sinn erst nach 1825 die Ortsbezeichnung „Hessisch“ herauszustellen, da es in Preußen bei Minden einen zweiten Ort namens Oldendorf (später „Preußisch Oldendorf“) gibt.
Die dem Verfasser vorliegenden Belege lassen eine Verwendung des Stempels L 1 „HESS: OLDENDORF“ erst nach 1825 nachweisen.
Der L 1 „HESS: OLDENDORF“ wird nach 1830 vom Einkreisstempel EK 3Z „HESS: OLDENDORF/ Tag/Monat“ abgelöst.